Wer opfert, spricht schuldig
“Denn, wenn es Opfer gibt, dann muss jemand bezahlen und jemand bekommen. Die einzige Frage, die dann noch bleibt, ist die, wie hoch der Preis ist, und was man dafür bekommt.“
Der Opfergedanke ist eine der hervorragenden Waffen des Ego, ein ausgezeichnetes Instrument, den Blick auf die Wirklichkeit zu verschleiern. Opfern, meint, der Anziehungskraft des Dualismus, dem Ego zu huldigen, des Urteils, damit der Schuld weiterhin alle Pforten weit zu öffnen. Obwohl die Intention dessen, der opfert, gewisslich eine komplett andere ist. Opfern bedeutet, sich von etwas zu trennen, das einem lieb ist.
Ein Handel mit der Schöpfung?
Wir geben, was uns lieb und teuer ist. Wie großherzig. Im Gegenzug erwarten wir – vielleicht gar nicht einmal zwangsläufig in dieser Wirklichkeit – eine adäquate Gegenleistung. Meistens wissen wir aber dabei sehr genau, was als „adäquat“ zu bezeichnen ist, wir haben eine gute Vorstellung von dem, was wir wünschen – und wir begehren, unsere Realität in diesem Sinn zu verändern. Vollkommen gefangen im durchdringenden Dualismus, dem urteilenden Gebaren des Opfergedankens, können wir jedoch nur enttäuscht werden.
Die Idee des Opferns ist Schmerz?
Die Absurdität der Idee des Opferns tut sich auf, wenn wir uns nur vergegenwärtigen, dass Opfern zwangsläufig Schmerz heißt – wäre es sonst sinnvoll? Wir fügen uns Schmerz zu, um die Schöpfung der Liebe zu beeindrucken, mit dem Ziel, sie zum Handeln zu zwingen. Die Liebe kennt keinen Schmerz! Sie ist nicht in der Lage, das „Opfer“ zu erkennen! Das Opfer ist die Idee des Ego, die absolute Liebe dagegen ist der Gedanke der Freude, der Kreativität, der Dankbarkeit, der überhaupt nichts mit Schmerz und Leid zu tun hat.
Mächtiger Egogedanke?
Opfern heißt geben und nehmen. Die Liebe, die Schöpfung, kennt diese Paarung nicht. Hier ist das Geben das Empfangen, da haben Begrifflichkeiten wie Schmerz oder Verlust niemals existiert. Wenn wir opfern, gehen wir der Idee nach, Schmerz, den wir uns zufügen, zu etwas Heiligem zu gestalten. Eine tolle Geschichte, für das Ego, das doch den Schmerz für sich gepachtet hat! So ist das Opfern ein Egogedanke mit ungeheurer Macht.
Opfergedanke und Liebe?
Opfern, in dem Sinn, dass wir etwas hergeben, um etwas anderes zu bekommen – dies, wenn man es sich lediglich ein wenig näher betrachtet – bestimmt unseren Lebensplan? Betrachten wir uns den Komplex einmal von einer besonderen Warte aus. Die Beziehung zwischen zwei Menschen, gerne benutzt man hier den Begriff „Liebe“, ist ein ausgezeichnetes Beispiel. Der Partner besitzt viele Vorteile, die möchte das Ego haben. Hier kommt der Opfergedanke ins Spiel. Wir geben uns, zumindest Teile von uns, hin, bieten sie dar. Voller Schmerz.
Wut auf die Schöpfung
Erwarten im Gegenzug – ich gebe weg, also gibst du auch weg – letztlich ebenfalls ein Opfer. Wir opfern Teile unseres Selbst – das bereitet uns Schmerz und wir sind wütend, auf denjenigen, der uns dazu zwingt, diese Opfer zu bringen. Und ist dies nicht Gott – verkörpert in unserer Suche nach dem Sinn, nach der Liebe? Wir leben in Wut auf Gott. Wie weit ist diese Projektion von der Wahrheit, der Quelle, der Liebe entfernt!
Schuld ist der Preis der Liebe, bezahlt wird er mit Angst?
Was das Ego zu verbergen sucht, ist diese große, subtile Idee, die immer hinter allen seinen Aktionen steht. Nämlich, dass es dir verdeutlicht, dass „Liebe“ immer unzählige Opfer fordert, also untrennbar mit Angst und deshalb Angriff verknüpft ist. Sein Credo heißt: Schuld ist der Preis der Liebe, bezahlt wird er mit Angst. Und wenn die Schöpfung also die Liebe ist, ich sie total möchte, würde dieses vollständiges Opfer, vollkommene Schuld, Angst, bedeuten. Vollständigen Verlust.
Nur Körper können Opfer bringen
In unserem Leben versuchen wir diese Angst vor der Liebe zu kompensieren, indem wir lediglich unseren Körper als Dreh und Angelpunkt sehen. Ihn zu opfern, fällt dem Ego nicht weiter schwer. Dient dies doch dem Ziel, uns weiter in der Dunkelheit zu halten. Unsere Wut, unsere Verärgerung, unser Unverständnis steigert sich zudem ins Wahnsinnige, wenn „das Opfer nicht angenommen wird“.
Ego applaudiert
Die Struktur des Opfergedankens, der die dualistische Machart des Egos entscheidend ausmacht, übt (zumeist mehr oder weniger unbewusst) eine solche Macht auf unser Leben aus, dass wir lieber nicht hinsehen. Das Ego klatscht immer Beifall. Denn es hält uns so ganz sicher in absoluter Trennung gefangen. Mit jedem Opfer verstärken wir den Dunst des urteilenden, schuldig sprechenden, Schmerz zufügenden, Urängste bereitenden Nebels, der uns von der Wahrheit der Liebe zu trennen scheint.
Fazit
Die Liebe, die Schöpfung, verlangt niemandem etwas ab. Sie entzieht nicht, sie gibt. Der irrige Gedanke, dadurch, dass man sich Schmerz und Verlust zufügt, könne man Liebe ernten, ruft nur Wut, Verzweiflung, Unverständnis hervor. Es ist der Weg der Schöpfung, keine Opfer von niemandem zu verlangen. Tun wir Gleiches. Es gibt nichts, was wir nicht schon hätten, nichts ist uns entzogen, nichts würde dem Begriff des Opfers Sinn geben.
Interessant
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