Der Golem und die Angst

Angst Gott

Infragestellung des eigenen Selbstverständnisses?

Mit allzu großer Selbstverständlichkeit wird ab und an vom Leser solcher Schriften (wie es auch dieser Text ist) verlangt, von seiner bisherigen Sichtweise Abstand zu nehmen, ja, sie zu verleugnen. Das Ziele jeder Argumentation ist es immer, das Denksystem des anderen zu ändern. Das gilt ganz generell in dualistischen Kommunikationsgebahren. Ein erster Schritt hin zum großen Verständnis, ist also die Infragestellung des eigenen Selbstverständnisses, des eigenen Denksystems.

Gold und Diamanten

Vokabeln der Denkstruktur?

Die Auflösung bestehender Denkarchitektur muss aus diesen Strukturen selber heraus passieren. Das will meinen, die Schöpfung, die versucht, verstehen zu machen, benützt das bestehende Denksystem, um mit unendlicher Geduld und von außerhalb dieser Begrifflichkeit, eben diese Struktur der Überzeugungen aufzulösen. Dieser Vorgang, das Aufdämmern der wahren Liebe, hat kein Initial, kennt keine Zeit, ist alles durchdringend – passiert in jedem Augenblick. Es ist unsinnig, ihn in den Vokabeln der Denkstruktur, in der wir verhaftet sind, zu suchen.

Macht der Worte?

Es ist unbedingt so, dass Worte eine gewisse Macht besitzen. Sie können Bilder vor unseren Augen heraufbeschwören, können der Grundstein sein, zu weiterer Einsicht, welche das nächste Tor, zum Verständnis hin, öffnet. So liegt in manchen Texten, – wir erinnern uns nur an die Poesie eines Rainer Maria Rilke – eine Kraft, die ganz betörend ist. Die Metaphern des Zen sind ein anderes Beispiel.

Der Golem und die Angst

Und es begab sich vor langer Zeit, dass die Menschen eine Figur Ihres Schöpfungs- und Lebensverständnisses bauten. Sie schufen diese bildhafte Gestalt in einer großen Gemeinschaft der Erde, alle zusammen. Jeder gab ein wenig Frieden, Bewusstheit, Achtsamkeit, Vertrauen, Dankbarkeit, Mitgefühl, Wissen, Kreativität, Intuition, ehrfürchtiges Staunen, Vergebung, Liebe, sein Jetzt.

Was entstand, war eine Figürlichkeit, wie Gold und Diamanten glitzernd, glänzend, von unbeschreiblicher Schönheit. Und jedem der zu ihr aufsah, nur an sie dachte, schenkte sie ein tröstendes, gedankliches Bild ihrer Liebe. So lebten die Menschen lange Zeit im Glanze ihrer eigenen Göttlichkeit – bis die Angst in ihr Denken einzog. Sie sahen das Abbild ihrer göttlichen Tugenden in Gefahr, fürchteten um seinen Bestand.

Aus diesem Denksystem heraus nun, erschienen die Horden des Feindes. In ihrer Furcht, die übermächtigen Gegner würden die Herrlichkeit der Statue erkennen, sie zur Beute machen, verhüllten sie die Figürlichkeit sorgfältig mit Lehm, erschufen einen plumpen Golem, einen ungestalten Götzen. Der Feind, die Angst, drang ein – und tatsächlich erkannte sie die wahre Pracht der Statue nicht, ließ sie unberührt.

Der Feind blieb und wurde zur Normalität. Zur Realität. Bald vergaß man, dass die Figur, die weiterhin der Anbetung diente, einst ganz anders ausgesehen hatte. Mit den Jahrhunderten gestaltete sich der Lehm zu Stein, Vögel nisteten in kleinen Bäumen, die auf seiner Oberfläche wuchsen. Dann aber geschah es. Als ein besonders andächtiger Mönch gerade, in Meditation vor der Staue versunken, dasaß, erschütterte ein gewaltiges Beben die Erde.

Der zu Stein gewordene Lehm löste sich vom kleinen Finger des Lehmkolosses. Der Bruder erkannte das, was unter der Felsschicht verborgen lag. Fein ziseliert, leuchtend strahlend, unvergleichlich in seinem Glanz. Als er sich wieder gefasst hatte, rief er aufgeregt seine Mitbrüder, um ihnen diese außerordentliche Entdeckung zu zeigen. Doch – soviel er auch deutete, erklärte, hinwies – sie vermochten nicht zu erkennen, was ihm offenbar war.

So trat er an die Figur heran, versuchte mit viel Kraft die Steinschicht zu entfernen. Bald aber wurde ihm klar, dass er nur das winzige Stückchen, dass von ihm selber in dieser Figürlichkeit steckte, von der dicken Schicht, die es umgab, befreien konnte. Nur er es erkennen konnte. Die Figur in ihrer Ganzheit wieder zum Erstrahlen zu bringen, das war lediglich in Gemeinschaft Aller möglich. Und so machte sich der Bruder, unsterblich geworden, durch den kleinen Blick in das Strahlen der Schöpfung, auf den Weg, allen die Wahrheit hinter dem Lehmgolem zu erklären. Und er heißt Jesus, Buddha, Mohammed und hat viele Namen Erleuchteter angenommen.

Th. Om

Sind Bittgebete ein Angriff auf die Schöpfung?

Bittgebet

Sind Gebete manchmal unsinnig?

Als Erstes, bitte urteilen Sie nicht im Vorhinein. (Es gibt tatsächlich Menschen, die lediglich die Überschriften lesen, um sich dann zu entrüsten) Wir reden von Bittgebeten, nicht vom Gebet im Allgemeinen. Trotzdem wir bestimmt feinfühlig an das Thema herangehen, werden sich wohl dennoch etliche auf den Schlips getreten fühlen.

Bitte lieber Gott, mach …

Beten ist Kommunikation mit der Schöpfung?

Beten – das ist Kommunikation mit der Schöpfung – da kann es keine Regeln, Einschränkungen, „Nutzungsbedingungen“ geben. Was versucht wird aufzuzeigen, ist lediglich die irrtümliche, falsch intonierte Intention eines Gebetes – einer Bitte an Gott, dieses oder jenes geschehen, oder aber auch nicht geschehen zu lassen. Die Liebe hat jeden wirklichen Wunsch eines Menschen längst erfüllt, es gilt lediglich, diese Tatsache zu erkennen.

Bitten heißt Zweifeln?

Bevor wir also richten, sehen wir uns das Bittgebet einmal an. Es ist schriftlich vorwiegend verbreitet in der Liturgie der westlichen Kirchen. Als gebräuchliche Umgangsform der Kommunikation mit Gott, beherrscht es das Denken nahezu aller Menschen. Der Mensch des Westens, auch in seiner Spiritualität, liebt wohl das Direkte. Die Religionen des Ostens, gemeint sind also Buddhismus, Hinduismus und andere Glaubensrichtungen dieser Tendenz, zeigen zum Gebet zwar eine vollkommen andere Auffassung, doch sind direkte Bitten an den Allmächtigen wohl genauso gegenwärtig.

Bittend beten – ein Zeugnis der Verwirrtheit?

Und wem ist es zu verdenken, wenn er im Moment der Verzweiflung, oder ganz einfach, weil ihm irgendeine Sache ganz besonders am Herzen liegt, in einem Gebet den „lieben Gott“ um Hilfe bittet. Nun. Es geht hier nicht darum, irgendeine Gläubigkeit in Bezug auf Stoßgebete oder auch herkömmliche Bittgebete zu verurteilen. Jedoch – wenn man so möchte – ein Bittgebet an die Schöpfung zeugt von tiefster Verwirrtheit, ja nachgerade von Unglauben.

Sense

Die Bitte an Gott – ein Trick des Ego?

Man könnte sogar formulieren, so ein Bittgebet wäre ein Hohngedanke des Ego, ein überheblicher Egoismus, der uns weiterhin gefangen halten lassen möchte, in seiner Welt der Urteile und Vorurteile. Wie gelangen wir zu dieser Behauptung? Nun. Was ist das Innerste der Bitte? Eine Bitte an die Schöpfung ist, das Weltgeschehen so laufen zu lassen, dass es im Sinne meiner Bitte passiert. Man könnte nun sagen, das ist naiv, weil, wie würde man denn das Geschehen auf der Welt, nur wegen einer einzelnen Person, ändern? Der Gläubige antwortet, aus tiefsten Herzen, „für Gott ist alles möglich“.

Die Schöpfung ist nicht vollständig?

Und das ist vollkommen richtig! Und genau deswegen ist es überheblicher Egoismus, diese Vertretung des Standpunktes, SIE, der Bittsteller, wüssten, um was Sie zu bitten haben. In erster Linie jedoch, dass Sie mit Ihrer Bitte, voll von dem unbewussten Hohn des Ego, den unausgesprochenen Vorwurf formulieren, die Schöpfung wäre nicht vollständig, man müsse ihr sozusagen auf die Sprünge helfen. Wie vollkommen arrogant!

Die Dualität untermauert?

In der Tat ist also die Bitte an die Schöpfung, um ein konkretes Geschehen, das Zeugnis dafür, dass Sie weiterhin im Dualismus gefangen sind, eine Tatsache, die Sie mit einer Bitte, die Dinge anders sein zu lassen, als sie es sind, noch zementieren. Es geht also darum, dass Sie mit der Formulierung einer solchen Bitte, der Schöpfung aus tiefsten Herzen unterstellen, der Plan Gottes sei nicht vollständig, die Dinge liefen falsch oder sie könnten falsch laufen. Das stellt sie selbst ins Dunkel, denn Sie verleugnen ganz einfach die Liebe und ihre Allmacht. Da ist kein Vertrauen.

Jede Bitte ist bereits erfüllt

Die liebende Schöpfung ist jede einzelne Sekunde des Lebens, ihres Daseins, so wie Sie es sehen können, bei Ihnen. Und in ihrer unendlichen Liebe erfüllt sie jeden Ihrer Wünsche, noch bevor Sie diesen überhaupt formuliert haben. In ihrer Blindheit, in Ihrem ach so vergeblichen Bemühen zu verstehen, (darum erbitten Sie ja) können Sie das aber nicht erkennen. So sind Sie über viele Dinge zutiefst enttäuscht und zweifeln – auch an der Schöpfung.

Was in Liebe erbeten wird, ist bereits wahrhaftig

Maßen Sie sich nicht an, zu verstehen! Vertrauen Sie! Jede Bitte ist Ihnen bereits erfüllt, so sie aus einem reinen Herzen kommt. Verstehen Sie gut, dass die Schöpfung Liebe ist – darum kann Sie lediglich die Dinge der Liebe erkennen – das Böse ist für Sie nicht existent. Das ist ein Knackpunkt! Wenn wir also darum bitten, dies oder jenes möge geschehen, können wir sicher sein, das jeder Bestandteil unserer Bitte, der aus wahrer, nicht egoistischer Liebe existent ist, auch schon Wahrheit ist.

Weg aus dem Chaos

Doch wer von uns möchte beurteilen, was die wirklichen Beweggründe sind, was die tatsächliche Basis unserer Wünsche ist? Und wer könnte ermessen, ob diese oder jene Begebenheit des Lebens, die passiert, nun das gewünschte Ergebnis zeitigt? Einzig die Schöpfung selber – die Allheit – ist da. Unberührt von all dem, in grenzenloser Liebe zu jedem einzelnen Geschöpf. So, in diesem Licht der Dinge, scheint es wahrhaftig nicht angebracht, in Bittgebeten zu versinken.

Die Bitte, Vertrauen zu erlernen

Das richtige Beten, ist Beten – kein Bitten. Die Bitte, die man an die Schöpfung richtet, kann lediglich sein, einen erkennen zu lassen, dass jede Bitte bereits erfüllt ist. Einen zu erlösen, von den Tüchern, welche die Welt uns vor die Augen bindet. Vertrauen benötigt keine Bitte. Die einzige Bitte könnte sein, dieses Vertrauen zu erhalten. Und, noch gar nicht formuliert – ist dieses Vertrauen bereits da. Die Liebe kennt keine Zeit. Wer vertraut, in die Schöpfung, transzendiert darum diese Zeit.

Überheblichkeit?

Es zeugt von großer Überheblichkeit oder tiefgehender Naivität, irgendwelche Bitten an die Schöpfung zu richten. Ein Dank an die Schöpfung, dass alles ganz genau so ist, wie es ist, wäre wesentlich verständnisinniger. Meditation – das Herz zu öffnen – abseits aller Gedanken, das „So sein“ des Lebens annehmen, in der Erkenntnis, dass die liebende Allmacht der Schöpfung für jeden Menschen in vollkommener Zuneigung handelt, sein Geschick regelt, mit dem einzigen Ziel, ihn zu der letzten Wahrheit, der Liebe der Schöpfung zu führen.

Dankeschön sagen

Fazit

Vielleicht ist das Gebet als Bitte, wie wir es beschrieben haben, nicht arrogant oder überheblich – vielleicht zeugt es nur von einem tiefen Unverständnis dessen, was Schöpfung, was die Wahrheit ist. Noch wahrscheinlicher ist es pure Angst. Wir haben schon oft über die Schöpfung als die Liebe schlechthin gesprochen. In der Gewissheit, dem Vertrauen in diese Liebe, löst sich die Angst auf. Denn die beiden haben nichts miteinander zu tun. Jede Bitte wird unnötig.

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