Zweischneidig
Wenn wir den Begriff “Intuition“ verstandesmäßig angehen, wird schnell deutlich, dass wir grundsätzlich in zwei verschiedenen, entgegengesetzten Richtungen definieren können. Zum einem das Bauchgefühl, dass genauso gut auch Intuition heißen könnte, weswegen ein Verwechseln gut möglich ist. Dieses Bauchgefühl ist aus Erfahrungswerten zusammengebastelt, ist ein vages Spiegelbild aller abgespeicherten Informationen – und hat grundsätzlich gar nichts mit Gefühl, wie im Wort bemüht, zu tun – es ist schlichtes Wissen.
„Heilige” Intuition
Die Intuition, von der wir reden, hat schon einmal grundsätzlich – so – nichts mit Wissen zu tun – zum anderen geht es ihr um ein diametral anderes Feld. Man könnte sagen, die Intuition, von dr wir reden wollen, ist übergeordnet, ist die lebensbestimmende Intuition, die zu wirklich wichtigen Fragen des Dasein „Stellung nimmt“. Natürlich steht auch hier ein Wissen im Hintergrund – doch es ist bereits transzendiert – es wird bereits anders betrachtet.
Ich möchte meinen ersten Lehrer Taitaro Suzuki zitieren, der hier ganz grundlegendes spricht:
The intuition
What, then, is the intuition, and how do we develop it?
Dr. Suzuki, speaking of the work of the Zen master, once said that,
‘the insight he has gained into Reality must be organized into a system of intuitions so that it will grow richer in content. The insight itself is contentless, for to be so is its very condition.’
But he goes on to say that this emptiness is no abstraction, but a dynamic force which motivates all other aspects of the Buddhist life.
Each aspect of the training should be ruled from the intuition, for all of it is designed to its development. Assume its existence, and then use it. Trust its whispering, its sudden flashes of an understanding which the reason may not follow at that time.
Developing the intuition amounts to no more than this.
Once the faculty is known to exist it will shine the more in the darkness of our reasoning.
-Humphreys, C. (1985). Zen: A Way of Life. London: Hodder & Stoughton.
Übersetzung
Die Intuition
Was ist also die Intuition und wie entwickeln wir sie? Dr. Suzuki sagte einmal über die Arbeit des Zen-Meisters: „Die Einsichten, die er in die Wirklichkeit gewonnen hat, müssen in einem System von Intuitionen organisiert werden, damit sie an Inhalt reicher werden.“ Die Einsicht selbst ist inhaltslos, denn dies ist ihre eigentliche Bedingung. Aber er fährt fort, dass diese Leere keine Abstraktion ist, sondern eine dynamische Kraft, die alle anderen Aspekte des buddhistischen Lebens motiviert. Jeder Aspekt des Trainings sollte von der Intuition geleitet werden, denn alles ist auf seine Entwicklung ausgerichtet. Nehmen Sie seine Existenz an und nutzen Sie es dann. Vertraue seinem Flüstern, seinem plötzlichen Aufblitzen eines Verständnisses, dem die Vernunft zu diesem Zeitpunkt vielleicht nicht folgen kann. Die Entwicklung der Intuition ist nicht mehr als das. Sobald bekannt ist, dass die Fähigkeit existiert, wird sie in der Dunkelheit unseres Denkens umso mehr leuchten.
-Humphreys, C. (1985). Zen: Eine Lebensart. London: Hodder & Stoughton.
Sanft und voller Rücksicht
Taitaro Suzuki ist einer der meistgeachtesten Meister des Zen. Zusammen mit Erich Fromm schuf er die Grundlagen für eine dem westlichen Denken gerecht werdende Auslegung und Definition der letztlichen buddhistischen Ziele einer „westlichen Spiritualität“. Der Zen Buddhismus ist an sich eine sehr radikale Form des Versuchs, einen „Schüler“ zur „Meisterschaft“ zu bringen. So muten die Worte des Meisters nahezu sanft und rücksichtsvoll an.
Im strengen Sinn ein Nullwert
Wenn man streng nach den Denkmustern des Zen „erklären“ würde, hätte auch die Bedeutung des Wortes „Intuition“ einen Nullwert – doch hier tut sich eben ein Tor auf -das was Intuition im Sprachgebrauch meint, kommt an die Wahrheit auch heran. Das heißt dieses Bauchgefühl, dieses Handeln aus nicht belegbaren, ungewissen, nicht wirklich nachzuvollziehendem Grund heraus, ist ein heiliges Werkzeug, das wir in unserem „realen“ Tagesgeschehen ausgezeichnet gebrauchen können.
Fragmentierte Intution
Doch Taitaro geht ja noch weiter. Er erklärt, dass letztlich das komplette Verstehenssystem aus dieser (hier als „fragmentiert“ dargestellt) Intuition, bzw. aus Teilen, vielleicht Splittern von ihr, besteht. Was gemeint ist – die Intuition ist eine Art Übersetzer für die Kräfte des Absoluten in unserer Wahrheit – das was nicht erklärbar und ohne Form ist, bildet sich in der Intuition schemenhaft, wie ein positives Gespenst ab. Und wie auch der Zenmeister Thich Nhat Hanh bei vielen Gelegenheiten betonte, diese Intuition, dieses Handeln schemenhaften Mustern heraus, ist ein Lehrstück. Es ist Training, Übungssache, man kann es sich aneignen.
Codeschlüssel
Aus Intution heraus, lehrt der Meister – und aus Intuition heraus, versucht der Schüler zu verstehen, und aus Intuition gelingt es beiden, ihr Ziel zu erreichen. In der Intuition wirkt die Quelle, wirkt der Urgeist der Schöpfung – und das Maß an Vertrauen, das wir uns in diese Fähigkeit die Dinge zu erkennen, aneignen, antrainieren, ist das Maß aller Dinge – hier spricht die Schöpfung – immer lauter, immer vernehmlicher.
Komprimierte Intuition
Letzten Endes – ist alles diese Intuition, sie verdichtet sich zu dem, was sie ist, nämlich die Wahrheit. Die Intuition selbst in transzendierter Form, löst das Urteil, löst das, worin sie noch existieren muss, auf, transzendiert die sogenannte „Wirklichkeit“ und wird zu dem, was sie wirklich ist. Nämlich zu einer Wirklichkeit, die für alles, was nicht Intuition ist, überhaupt nicht existieren kann, weil es dort keine Begrifflichkeit dafür geben kann.
Intuition verhält sich kongruent zum Vertrauen
Es handelt sich bei der Umsetzung dieses Wissens um eine, in dieser von uns gelebten Zeit, schwerwiegende Frage eines Urvertrauens. Hier geht es tatsächlich um das Vertrauen in die Idee der absoluten Liebe – der Annahme eines Kommunikationsvorschlages. Und ja – dieses Vertrauen wird ebenfalls gelernt, es taucht auf – und man kann es annehmen. Was am Ende des Pfades steht, ist ein intuitiver Geist, der den Körpergedanken überwunden hat.
Fazit
Die Intuitionen ergeben sich auf dem Lebenspfad, ihr Nährstoff ist Wissen. Genau das Wissen, das sie in der Folge als Illusion enttarnen werden, dessen Nichtigkeit offenbar wird, ist die unbedingte Grundlage, den Daseinspfad, in immer größerem Ausmaß verstehend, aus von der Schöpfung angebotener Intuition handelnd, fortzuschreiten. Bis die Intuition sich zur vollkommenen, absoluten Gewissheit gewandelt hat. Das ist der letzte Schritt, den die Schöpfung für Dich tut, den einem Körper ist sie nicht möglich.
Interessant
Das durchdringend Manipulierende
Was macht einen guten oder schlechten Menschen aus?
Eine Antwort auf „Die Intuition – heiliger Nebel?“