Angst als absolute Grundlage des Leidens
Es ist schon oft über die Ängste der Menschen als Grundlage für ihre Leiden gesprochen worden. Tatsächlich existieren in historischen Dimension, der Körperwelt, im wertenden Logiksystem, wahrhaftig ungezählte Ängste. Die „Furcht“ vor Gott selbst, kennt verschiedene Ursachen, die durch das individuelle Verständnis des Einzelnen generiert sind. So ist ein Grundgefühl der Angst vorhanden, das man mit der Angst des Kindes vor dem strafenden Vater vergleichen könnte – und auch diese Angst gibt sich in Facetten.
Ausformulierte Ängste
Betrachten wir das Denken der Menschen des Abendlandes, so finden sich grundlegende, sozusagen ausformulierte Ängste, in den Glaubenstexten der Kirchen. Generell die Sünde, die postulierte Vergänglichkeit, inklusive dem personifizierten Bösen, dem Teufel und seiner Hölle. Das Fegefeuer. Nun mag die „christliche“ (oder muslimische, hinduistische) „Glaubenswissenschaft“ diese Textpassagen in Alten und neuem Testament, dem Koran – genauso aber auch in allen asiatischen Religionen – sogar der Buddhismus kennt sein „Avici“ – als „fiktive Lehrstücke“ definieren – die Mehrheit der Gläubigen sieht diese Beschreibung, nichtsdestotrotz, Eins zu Eins in der kommenden Tatsachen-Realität.
Todesangst im Leben
So existiert hier, wenn auch im „Hintergrund“, eine ganz grundsätzliche, sehr real wirkende Lebensangst – eine Angst vor dem Leben – weil es den Tod als Ende beinhaltet. Ablenkung von dieser Glaubensprämisse schaffen uns andere Ängste. Furchtzustände, die aus dem Logiksystem der Wertigkeiten und des Urteils ersprießen, wie Unkraut, alles überwuchern. Ein übergeordneter Begriff existiert: Das Geld.
Die Münze
Geld oder Leben? In unserer Gesellschaft ist das eine nicht mehr vom anderen zu trennen. Es könnte also vielmehr heißen: Geld oder Tod. Beziehungsweise Geld und Überleben. Wie der Körper Wasser braucht, um zu funktionieren und nicht in Agonie zu verfallen, um schließlich nicht mehr zu funktionieren, so benötigt der Mensch, der in das bestehende Gesellschaft integriert ist, finanzielle Mittel. Ansonsten droht ihm der körperliche Tod. Klipp und klar.
Trauriger Anstrich
Dieses „Geld“ vielmehr die Vorstellung, die Idee, das komplette Gerüst dieser bestechenden Logik, ist sozusagen mit uns, unserem Dasein „verschmolzen“. Wir sind die Maler unseres Lebens .- und wir stellen die Farbe dazu, aus Geldscheinen und Münzen her. Darum ist unser Leben von derartig trister, grauer Farbe. Und auch dieses traurige Grau unserer Existenz steht für die Angst, die uns beherrscht.
Angst vor dem eigenen Körper
Eine weitere Angst, die mit der Urangst vor der ausgerufenen Vergänglichkeit eng verknüpft ist, ist die Gewissheit, dass der Körper, früher oder später, irgendeiner oder mehrerer Krankheiten anheim fallen wird. So ist uns unser eigener fleischlicher Körper Grund zur Angst. Hier hat auch die allgemeine Furcht vor Schmerzen ihr Zuhause. Trotzdem belasten wir unseren Körper bis an jede Grenze – wie sich aus den weiter oben angeführten Ängsten ergibt.
Angst vor dem eigenen „Verstand“
Sorge, Angst und Furcht empfinden wir ebenso vor unserem „geistigen Körper“ unserem Verstand, unserer „Vernunft“. Denn, nur allzu gut kennen wir die Schwächen unseres Körpers, kennen die Lust, die Gelüste. Wir sind gezwungen, sie unter Kontrolle zu halten – das ist ein Kampf, der viel mit Angst zu tun hat. Umso eindringlicher, als die Gelüste benutzt werden, um Angst zu übertünchen, von ihr abzulenken.
Angst vor dem „Außen“
Wenn wir die Ängste so dividieren, stoßen wir schließlich auf die Angst vor dem „Außen“, speziell den anderen Menschen, Deinen Brüdern und Schwestern. Sie stellen die Überbringer der bösen Nachrichten aus dem „Außen“ dar. Mehr noch: Sie sind Ursache. Und die Hoffnung, mit irgendeinem Verhalten Einfluss nehmen zu können, eine Hoffnung, die Dir als Gewissheit verkauft wird, lässt Dich, auch hier, in Angst und Furcht und Scham agieren, reagieren, kämpfen.
Angst als großer Lebenszweifel
Eine Wahrhaft schauderhafte Sektion, bei weitem nicht vollständig, die wir da gerade vorgenommen haben. Ein trauriges Leben, beim besten Willen, das sich so erklärt. Die meisten dieser Ängste sind nicht an der Oberfläche – wir empfinden sie nur sehr subtil – summiert, ergeben sie unseren tiefen Lebenszweifel. Sie sind die Auslöser für all das Leiden, das sich in der „historischen Dimension“ aufgrund der Interaktion der diversen „Formationen“ (Gier, Lust, Machtstreben, Hass, aber auch jedwede Form)) zwangsläufig ergeben.
Edle Wahrheit
Nicht umsonst ist eine der wichtigsten Lernziele im Buddhismus – als den praktischen Weg der Transzendierung des Leidens – eben diese Leiden genauestens unter die Lupe zu nehmen, es wahrhaft zu verinnerlichen. Das Leid, der Schmerz ist eine noble Wahrheit. Ihn zu erkennen und zu verinnerlichen – seinen Urgrund, den „Lebensdurst“ (Tanha) zu erfassen, zu verstehen, ist der Weg der Erlösung aus dem Leiden. Aus der Angst.
Formationen/Samen
Wir stoßen hier auf ein einfaches Bild, das das Verstehen unserer Situation, verhaftet in der historischen Welt, der Körperwelt, recht anschaulich verdeutlicht. Es wird dargestellt der Geist des Menschen, aufgeteilt in zwei Bereiche. In dem einen Teil liegen die Samen der Formationen, also die hier quasi latent vorhandenen „Pflanzen“ von zum Beispiel Gier, Selbstsucht, Hass etc. doch genauso finden wir die Samenkörner von Achtsamkeit, Mitgefühl, Frieden, Freude. Der andere Bereich ist der „Handlungsbereich“. Es liegt nun an uns, die jeweiligen Formationen im „Lagerbereich“ (und auch später zu im Handlungsbereich) mit Nahrung zu versorgen (oder eben nicht) – so ein entsprechendes Dasein zu generieren.
Aus Schlamm entsteht Schönheit
Das Wachstum dieser Samenkörner, der Einfluss der entsprechenden „Pflanzen“ hängt natürlich auch von dem Umfeld ab, in dem die Samen sich befinden, ab. Mit unserer Gesellschaft und dem urteilenden System, liefern wir jedoch, offensichtlich, lediglich ausgezeichneten Nährboden für die negativen Samen. Doch ist dieses Bild ein trügerisches – denn wir wissen, auch die Lotosblüte benötigt den Schlamm, um zu ihrer Schönheit heranzuwachsen.
Das kosmische Sein
Der Pfad des Buddhas, ist der Weg zu der letzten Erkenntnis, dass es keine Gegensätze gibt, geben kann. Von diesem wahrheitlichen, göttlichen, heiligen Standpunkt aus, erkennen wir das „Inter-Sein“ – das „Alleins“ des Kosmos, wo immer, alles, in der einen Bedingung der Liebe verbunden ist. In dem Verständnis dieses Alleins liegt die liebende Sehnsucht, die tiefste Wahrheit über den Sinn des Lebens, über die Auflösung aller Ängste, mitzuteilen: Das bedingungslose Mitgefühl.
Das “Inter-Sein”
Ein kleines Beispiel mag dieses „Inter-Sein“ noch ein wenig deutlicher gestalten. Dieses Existenz im Ganzen, mit dem Ganzen, vom Ganzen, welches letztlich die Eigenschaft besitzt, jedwedes Leiden, jedwede Angst ungeschehen zu machen, aufzulösen, zu negieren, als nicht existent, fern jeder Zeitlinie zu entlarven. – Können wir ein Blatt Papier vernichten? Ist es möglich, ein Blatt Papier sterben zu lassen?
Eine Blatt Papier kann nicht sterben
Wenn wir in die Natur eines Papierblattes blicken, können wir darin den Wald, die Sonne, den Sauerstoff, die Nährstoffe der Erde, erkennen, die es ausmachen. Wir sind keineswegs in der Lage es zu vernichten, wir können höchsten Anstoß für eine seiner Transformationen geben.Wenn wir es verbrennen, verwandelt es sich in Gase, Asche, Mineralien – entsteht bald zu neuer Form. Wie die Flamme des Streichholzes: Sind die Umstände entsprechend, manifestiert sie sich als leuchtendes Etwas.
Schlichtheit trügt positiv
Man kann also nicht sagen: Die Flamme oder das Blatt Papier „ist“. Vielmehr gibt es für diesen Zustand der Befindlichkeit im kosmischen Alleins den Begriff des „Inter-Sein“. (Eine Übersetzung aus dem Englischen „Inter-Beeing“ den der Philosoph und Zen-Meister Titch Nhat Hanh einführte) Die wahre Größe, das was sich hinter diesem, sehr anschaulichem, nahezu erklärendem Begriff an Herrlichkeit und unendlicher Schönheit verbirgt – die aller Kosmen nämlich – kommt mit der Benamsung wahrlich nicht zum Tragen.
Fazit
Jedoch – kein Name würde für die Gesellschaft der Körperwelt die Bedeutung haben, der bedeutungsvoll genug wäre, sie aus ihrer Blindheit, ihrer vervielfältigten Angst zu erlösen. Das Leiden muss erkannt werden, bevor es aufgelöst werden kann. Das gestaltet es zu einer noblen Wahrheit. An einem Ort, abseits des Gesellschaftslärms – in der Kontemplation, in der Meditation, so wie sie Lord Buddha beschrieben hat, können wir die ersten Schritte tun. Sind, am Ende, in der Lage, all unseren Ängsten, Leiden, zu begegnen und sie aufzulösen.