Morgenlicht
Es war damals. Das Jahr Zweitausendacht.
Afghanistan, ein kleines Dorf in der Provinz Farah.
Die sechsjährige Salina, eingehüllt in eine fadenscheinige, grau verschorfte Decke, drückte sich an ihre Mutter Alizee. Die Nächte waren kalt, doch nicht darin lag die Gefahr.
Die kündigte sich mit einem feinen, tiefen Summen an. Wenn man absolut nichts tat, nur saß und wartete, nicht einmal zu atmen wagte vor Angst, – dann vernahm man dieses Geräusch. Lange bevor es sonst ein menschliches Ohr hätte wahrnehmen können.
Und die vielen Male des staunend schreckerfüllten Bangens hatten ihre Sinne noch geschärft.
Es war da. Sie hörte es.
Doch sie konzentrierte sich auf die flüsternde Stimme der Mutter. Die redete, behutsam und leise, als ob das etwas an dem halben Meter Erde, der sie schützen sollte, ändern würde. Als ob so die Bomben der Flieger nicht ihr Ziel fänden.
„Weißt du Salina, Kleines, es gibt da eine Geschichte, die möchte ich dir gerne erzählen.“
Ihre Stimme zitterte.
„Jetzt.“
Salina blickte auf.
Die Augen ihrer Mutter wirkten seltsam strahlend. Doch, nein, sie täuschte sich. Es war der Staub, der Sand der Wüste, der Wind trug ihn in den hintersten Winkel. Auch hierher.
„Wenn die Menschen auf diese Erde kommen, so erzählen sich die Alten, ist das gleich einer Geburt aus dem vollkommenem Wissen, dem Strahlen der Ewigkeit, wie immer sie auch aussehen mag.“
Sie strich dem Mädchen über das schwarz glänzende Haar, das sie jeden Morgen unnachgiebig kämmte. Unwillkürlich erschauerte Salina.
„Ein Neugeborenes, so sagen sie, befindet sich mitten im Herzen der Erkenntnis, die Tore in alle Ewigkeiten der Weisheit stehen ihm auf.“
Das unbestimmte Summen, so zart von beiden gespürt, hatte an Zorn gewonnen, verkündete nunmehr in dumpfem Brummen seine Endgültigkeit, seine gnadenlose Logik.
„Es weiß um Sein und Nichtsein, um Entstehen und Vergehen. Es sieht staunend in die Seelen der Menschen, erkennt ihre Wut und ist von Liebe zu ihnen erfüllt.“
Das Geräusch, das anschwoll, allmählich zu einem vagen, dumpfen Sägen wurde, zwang sie, die Stimme zu erheben.
Salina hatte die Decke abgestreift, kniete nunmehr vor ihrer Mutter auf dem gestampften Lehmboden, barg das Gesicht in deren Schoß. Als die Mutter weitersprach, spürte sie die Schwingungen der Stimmbänder in Alizees Unterleib, ein warmes, wohltuendes Gefühl.
Die Decke des behelfsmäßigen Schutzkellers erbebte. Ein zweites Geräusch hatte sich zu den tiefen Tönen gemischt. Ein Kreischen erst, nun grelles Pfeifen.
„Doch dann“, so sagte Alizee, „schwebt ein Engel hernieder, und landet ganz sanft neben dem neuen, winzigen Menschlein. Unendlich zärtlich legt es ihm den Finger auf die Mitte der Lippen. Von diesem Augenblick an, verliert das Kind jede Erinnerung an diese machtvollen, weisen Dinge und wird wahrhaftig zum menschlichen Geschöpf.“
Noch eine Sekunde bevor die Lehmdecke zerbrach, vollendete Alizee ihre Geschichte.
„Deswegen hat jeder Erdenbewohner diese Einbuchtung an der Oberlippe.“
Sie hielt ihren Oberkörper schützend über ihre Tochter.
„Hallo Salina! Liebes! Erkennst du mich wieder?“
Und Salina erkannte.
Was ist das innere Kind?
Es ist eine liebliche Erinnerung, die uns nie verlassen hat, die immer wieder durchscheint, in dem Leben, das wir führen. Es ist der Atem der Schöpfung, es ist Prana, ist pure Lebensenergie, gerade aus der Quelle. Es ist die Weisheit der schweigenden Götter, es ist die Flamme der Verzeihung, das Licht der vollkommenen Schuldlosigkeit, es ist die immerwährende Einheit allen Geistes, die Weisheit der Äonen.
Die wunderbare Wirklichkeit der absoluten Liebe?
Das innere Kind ist die Wirklichkeit der Liebe, zu der wir zurückgeführt, mit zarter Hand umfangen, geleitet, geführt, beschützt sind. Die Auflösung des Körpers hin zum inneren Kind ist der Weg, den jeder von uns geht. Das Gemüt des inneren Kindes ist allumfassend und schließt jede Negation aus, weil sie sie bereits beinhaltet. Das innere Kind ist absolut, ist Gott, ist die Schöpfung ist die Liebe. Das innere Kind ist dein wahres Ich.
Urgrund jeder wirklichen Kommunikation?
Das innere Kind ist der Urgrund jeder Kommunikation, ist die Verwirklichung allen Wissens, ist die Triebfeder in unserem Traum, hin zur Auflösung. Das innere Kind ist zeitlos und pures, erlebtes Glück. Das innere Kind wird die Bedeutung des Körpers in ein Licht verwandeln, das es selber ist, welches das Dunkel des Traumes auflöst, hin zur hellen Flamme allumfassender Erkenntnis der Dinge.
Unser inneres Kind in Schlaf gefangen?
Wir dürfen erkennen: Unser inneres Kind ruht. Ständig mit uns verbunden, wartet es, zeitlos in Freude über die Gewissheit der Liebe, den Augenblick ab, der für jeden auf seinem Weg gezeichnet ist, an dem es sich in all seiner großartigen Kindlichkeit erhebt und aller Egowillen in seine Nichtexistenz, seine Bedeutungslosigkeit zurückführt. In dem klar wird, dass wir lediglich einer Täuschung unserer Sinne aufgelaufen sind.
Fazit
Wenn wir also dieser erlebten Wirklichkeit erlauben, sich aufzulösen, wird die Liebe, das innere Kind, erwacht übrig bleiben, mit dem absoluten und nur aus Liebe bestehenden Wunsch der Vereinigung und Expansion, wie es ihre/seine vollkommene Eigenschaft ist. Dieses Erwachen ist „das“ „Erwachen“, ist die Kundalinischlange, die erweckt wird, ist das innere Kind, das aus seiner Ruhe, zu vollkommen liebevoller Aktivität erwacht.
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3 Antworten auf „Das innere Kind“