Wertung erzeugt Angst
Eine der Grundessenzen jeder Spiritualität: Die Furcht hat ihren Urgrund im Gegensatz. Es existiert eine Angst in unserem Dasein, die alle anderen Ängste regelmäßig turmhoch übertrumpft: Die Angst vor dem Sterben. Wir leben das Sterben. Wir tun unseren Lebensgang auf diesem Untergrund. Und der ist leidend – eine Angst schürt die nächste. Schon der Prozess der Alterung birgt für uns das Grauen.
Was ist Sünde?
Der Tod – nicht nur unserer eigener – nimmt uns das Liebste, alles, was wir erschaffen haben. Er nimmt unwiederbringlich und unberechenbar – keiner kann wissen, wann (ihm) die Stunde geschlagen hat. Große Angst bereitet ebenso das „Nachher“. Was ist Sünde? Was die Sühne, das Fegefeuer? Der Teufel gar? Zusammen mit diesen Gedanken, ganz klar die Frage nach dem Sinn dieser Welt – was sind wir mehr, als 80 Kilogramm intelligentes Fleisch?
Angst ist der Treibstoff
Wie wir es auch drehen und wenden – sämtliche Komponenten unseres Daseins definieren sich über die Ängste. Sie sind unser Treibstoff, die Sprungfeder, die unser Leben nach vorne schiebt. Wir haben sie in ihrer scheinbaren Unabänderbarkeit akzeptiert, hingenommen. Wir arrangieren uns, in leidvoller Erfahrung, mit all dieser Furcht – doch angesichts des Gevatter Todes (eine Grundprämisse) ist da keine praktikable Lösung.
Wir leben ein Nichtleben
Die Angst, von der wir reden, ist durchdringend. Sie bestimmt alle Bereiche unseres Lebens. Letztlich ist es so, dass wir, vor all den Ängsten, in ein „Nichtleben“ gerutscht sind – wir essen und trinken nicht wirklich, stehen und wandern, sitzen, schlafen und bewegen uns nicht wirklich. Die Furcht steht zwischen uns und der Wirklichkeit. Diese Ängste, die Gefühle, Anhaftungen, Leidens („Lebens“) -zustände, definiert man im Buddhismus als Formationen.
Denkformationen als Manipulation
Diese Formationen halten uns in Dunkelheit, sie bewerkstelligen mit ihrer „Präsenz“ eine gigantische Ablenkung, einen aufgezwungenen Fokus. Aus diesem Blickwinkel erschaffen wir mit unserem Denken die „Historische Welt“, in ihrer Zeitlinie, generiert aus Werturteilen, die in zwingend allgemeingültiger Definition einer „Opposition“ wurzeln. Diese Erklärung eines bestehenden Gegensatzes, die rigorose Erklärung einer Zweiseitigkeit, wie die von Leben und Tod, ist das Grundübel.
Sehend taumeln wir blind
Wenn dieses „Streben“ , dieses, sich ergeben, die aufgezwungene „Akzeptanz“ der Systemlogik nun lediglich eine Frage des Intellekts, des Verstehens schlechthin wäre – wäre jede Lösung einfach. Wir wären lediglich zu dumm. Doch wir taumeln, ganz im Gegenteil, sozusagen „sehenden, wachenden Auges“ durch unser, mit Leid angehäuftes, Lebensbild. Und der Tod gehört als simple Lösung – es gibt eben Leben und Tod – dazu.
Es gibt kein Links ohne Rechts
Doch was ist es, was da von den Geistern der Körperwelt verkündet wird? Es gibt Links und Rechts. Zwei Dinge, die sich diametral gegenüber stehen. So sagen sie – und verkünden, gleichzeitig mit ihrer Doktrin vom Tod, dass dieser nichts mit dem Leben zu tun habe. Dass also Rechts mit Links nichts zu tun habe. Kann es ein Rechts ohne ein Links geben? Leben und Tod gehören unverbrüchlich zueinander.
Leben ist Tod
Weiter. Was ist der Tod, von dem da so großartig die Rede ist? Er ist nicht anderes als das Leben – und umgekehrt. Eine Blume – so können wir klar und deutlich sehen, besteht aus Elementen, die Nicht-Blume sind. Sonne, Mineralien, Kohlenstoffe, Gase. Die wunderschöne Blume ist lediglich eine Manifestation dieser Nichtblumenelemente – kann es da ein Denken geben, dass den „Tod“, die Nichtexistenz, definiert? Die Blume „stirbt“ vom Augenblick ihrer Geburt an, sie manifestiert sich aus vorgeblich „toter“ Materie. Der Tod gebiert das Leben – und umgekehrt.
Fazit
Wenn wir uns die Natur der Blume genauer betrachten, finden wir den gesamten Kosmos in ihr. Da sind die Wärme der Sonne, die fruchtbaren Essenzen der Erde, die Luft, vielleicht die helfende Hand des Gärtners – die komplette Welt findet sich. Die Blume „Ist“ nicht einfach. Sie „Inter-Ist“ – sie führt ein „Inter-Sein“. In vollkommener Verbindung mit dem Kosmos. Das ist der Zustand, der Wahrheit ist, den wir wieder „gewahr“ werden müssen – die Erkenntnis des komischen Menschen.